Freitag, 16. Juni 2017

La Bamba und ein Fremder in El Paso

Mit wenig Schlaf im Gepäck und leicht zerknautscht stehe ich morgens um vier am Schalter im Flughafen Düsseldorf. In einer langen Schlange. Die Schlage beinhaltet ansonsten hauptsächlich Insassen der vier Flüge, die an diesem morgen um sechs nach Mallorca abheben. Fußballvereine, Kegelclubs, Junggesellenabschiede und "Mutter-Tochter-Touren", alle in passenden Mottoshirts und weiteren Accesoirs ausgestattet (populär: Schwimmflügel). Die um mich herum wabernde Masse ist schwer alkoholisiert, auf einem der Ghettoblaster läuft in Endlosschleife das lautstark mitgegröhlte "La Bamba", Damen ein paar Meter weiter kreischen "vamos a la playa" entgegen. Ist das die abendländische Kultur, die der ein oder andere bedroht sieht? Man weiß es nicht, aber es gibt Zweifel.Nüchtern und mitten in der Nacht ist es jedenfalls eine harte Dosis, die erst mit Einstieg in meinen Flieger (überwiegend Senioren, die leise sind) endet. Da ich die komplette hinterste Sitzreihe für mich habe, tritt schnell erlösender Schlaf ein.

Am überschaubaren Flughafen von La Palma übernehme ich mein Auto. Ich gönnte mir einen leistungsstarken SUV (schlimm, eigentlich), der mich geschmeidig durch die kurvenreichen und steilen Straßen der Insel befördern soll. Dass tut der dann auch klaglos. Der Westen der Insel ist von vielen steilen Schluchten durchzogen und als erstes muss die Vulkankette, die La Palma von Nord nach Süd teilt, überquert werden. Es geht also immer bergauf / -ab, und mehr als 50 Meter geradeaus eigentlich nie. Für die 70 Kilometer zum Ziel sind eineinhalb Stunden zu veranschlagen. Dann erreiche ich mein Domizil in El Roque (den Ohrwurm "ich Roque" werde ich gerade nicht mehr los). Verdammt, ich wohne direkt an der Hauptstraße von El Roque. Diese entpuppt sich allerdings als schmaler Pfad, alle Jubeljahre fährt hier mal ein Auto.

Hauptstraße: links Terasse, rechts mein Haus

Hier habe ich ein an die 200 Jahre altes kanarisches Bauernhaus gemietet und werde empfangen von der fleißig reinigenden Marisol. Marisol spricht perfekt Spanisch, im Gegensatz zu mir, aber irgendwie versteht man sich (ich sie besser als umgekehrt, aber das passt schon). Das alte Gemäuer ist urig und man gab sich wirklich Mühe: frische Blumen auf den Tischen, ein großer Obstkorb, Wein steht bereit, es fehlt an nichts. Viel Platz ist vorhanden, eine Terasse vor dem Schlafzimmer und eine zweite auf der anderen Seite der "Hauptstraße", alles umgeben von blühender Landschaft, was will man mehr. Am Baum vor der Terasse hängen die dicksten Zitronen, die ich je sah und die Umgebungsgeräusche sind geprägt von Insekten, Hühnern, Ziegen, einem Hund. Mit der für mich zuständigen Katze habe ich mich auch schon arrangiert und mein Haus zur no-go Area erklärt.

Typisch La Palma: parken unter Palmen

Szenenwechsel, nachmittags. Ein Fremder kommt nach El Paso, während dunkle Wolken aufziehen. Ein Satz wie aus einem Italo-Western, doch ich komme nicht zum Showdown, sondern um hemmungslos den Hiper Dino zu plündern, den hier ansässigen großen Supermarkt. Es Paso (der Pass) unterhalb der großen Vulkankette ist ein verschlafenes Kaff, bietet aber die umfangreichste Einkaufsmöglichkeit weit und breit. Der Großeinkauf sichert die Grundbedürfnisse für die nächste Woche, mit den kleinen Läden und Bauernmärkten in naher Umgebung sollte ich dann klarkommen für den Rest.

El Paso

Dank elektrischer Saftpresse (Sachen gibt es hier) und hohem Orangenaufkommen auf der Insel gibt es leckeren Saft während des Schreibens. Angenehm temperiert ist es auch, wenngleich Passatwolken häufig die Sonne verschwinden lassen unterhalb von etwa 800 Metern. Nicht umsonst ist es hier üppig grün, Feuchtigkeit fehlt nicht.

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